Tunesien-Liebe

Leben in Tunesien

Europäer und Tunesier in binationaler Ehe in Tunesien




Nicht nur dann, wenn ein Paar nach der Heirat in Deutschland leben will, oder in einem anderen europäischen bzw. westlichen Land, ergeben sich Probleme - ebenso sieht es aus, wenn man sich stattdessen dazu entscheidet, zusammen in Tunesien zu leben.

Zwar sind die Probleme hier hauptsächlich anderer Art, als in Deutschland, doch auch sie entspringen aus den unterschiedlichen Gesellschaften und ihren Vorstellungen.


Das liebe Geld

Die wirtschaftliche Seite sieht recht angenehm aus, wenn der europäische Ehepartner über Vermögen, Mieteinnahmen oder Renten verfügt, so daß die Familie nicht auf das in Tunesien erzielte Arbeitseinkommen angewiesen ist.
Zwar kann eine 4köpfige Familie in Tunesien mit monatlich 1000€ sehr angenehm leben - doch diese Summe ist, falls man nicht "vermögend" ist, und dafür in Tunesien arbeiten muß, dort kaum zu verdienen.

Der Mindestlohn in Tunesien liegt bei ca. 400 Dinar/Monat bei einer 48-Stunden-Woche (150 Euro) und selbst gut ausgebildete Arbeitnehmer in "modernen" Berufen und mit Hochschulausbildung verdienen selten mehr als 300-500€/Monat.

Für eine Arbeit in Tunesien ist zudem fast immer die gute Beherrschung der französischen und arabischen Sprache in Wort und Schrift erforderlich, was zumindest für die meisten europäischen "Einwanderer" ein Problem darstellt.
Arbeit bei europäischen Firmen, schließlich, die auch europäisch bezahlt wird, ist nur in seltenen Ausnahmefällen zu bekommen, denn üblicherweise erhält man den  "Landeslohn" ausbezahlt.

In den meisten Fällen wird sich das Paar daher mit monatlichen Einkünften unter 500€, oft sogar unter 200€, bescheiden müssen - was zwar immer noch zum durchschnittlichen Leben in Tunesien genug ist, doch da muß man dann schon auf viele Dinge, die man aus Europa gewohnt ist, verzichten.

Ein "Urlauber" oder "Tourist" nämlich sieht viele Kosten gar nicht, die bei einem Daueraufenthalt anfallen - und das beginnt schon mit so einfachen Dingen wie der Stromrechnung.
Der Strompreis in Tunesien ist zwar günstiger als in Deutschland, doch in Deutschland erhält selbst ein Sozialhilfeempfänger mehr als doppelt so viel Geld, als ein gutverdienender Tunesier in Tunesien - und da wird dann selbst ein Strompreis, der nur halb so hoch ist, wie in Deutschand, schnell zum Problem.

Die meisten Haushalte in Tunesien verbrauchen viel weniger Strom, als in Deutschland, denn viele Familien haben weder Waschmaschine noch Klimaanlage, weder Elektroofen noch Staubsauger und was es der Dinge mehr gibt, die wir in Europa als selbstverständlich betrachten - oder in Tunesien sogar als dringend notwendig (Klimaanlage).

Zudem, läuft eine Klimaanlage im Sommer den halben Tag, dann kann, selbst bei den günstigen Preisen in Tunesien, die Stromrechnung ähnliche Höhen, wie in Deutschland, erreichen - der Strom kostet zwar nur halb so viel, doch dafür verbraucht man auch doppelt so viel während der warmen Sommerzeit.

Und auch im Winter ist es nicht viel günstiger, denn Europäer sind es nicht gewohnt, mit einem Mantel im Wohnzimmer zu sitzen oder feuchte, klamme Wäsche- und Kleidungsstücke zu verwenden.

Da wird dann in den Wintermonaten ebenso geheizt, wie in Deutschland, und obwohl auch das Gas in Tunesien weniger kostet, ist dennoch die Gasrechnung wieder fast genauso hoch, weil der Verbrauch höher ist - kein Wunder, bei Häusern, in denen die Dächer, Wände und Böden nicht isoliert sind und Türen und Fenster nur im Ausnahmefall dicht schließen.

Und so geht es weiter mit vielen anderen Dingen des täglichen Lebens.

Wer nach Tunesien zieht, der wird, falls er auch nur annährend so leben will, wie in Deutschland, auch fast dasselbe dafür bezahlen müssen und verliert sehr schnell seinen Irr-Glauben an Tunesien als "Billigland".

Nur dann, wenn man weitgehend so lebt, wie es die Einheimischen auch tun, nur dann wird man in Tunesien günstiger leben können, als in Deutschland.

Dies ist durchaus eine Quelle von Eheproblemen - wenn nämlich das Geld nicht ausreicht, um einen gewissen Standard an Hygiene, Behaglichkeit, Ernährung und medizinischer Fürsorge zu halten, den man in Europa als selbstverständlich betrachtet hatte.

Doch, gehen wir einmal davon aus, daß das Geld nicht knapp - oder das Paar leidensfähig - ist, dann stehen immer noch zwei große Hürden vor ihnen, und speziell vor der europäischen Frau, und diese Hürden heißen: tunesische Gesellschaft und tunesische Familie.


Die liebe tunesische Familie

Es wird oft salopp gesagt "man heiratet keinen einzelnen Tunesier, sondern immer eine ganze Familie". Das ist zwar im Prinzip richtig, doch das hat, wenn man in Deutschland lebt, "nur" insofern Auswirkungen, als daß sich dies in langen und häufigen Telefongesprächen nach Tunesien, Geldüberweisungen und der Mitnahme großer Mengen Geschenke bei jedem Familienbesuch ausdrückt.

Wegen der großen Entfernung und der Schwierigkeit für Tunesier, ein Visum zu erhalten, bleibt eine Ehe in Deutschland meist von den Unklammerungsversuchen der tunesischen Familie unbeeinflußt.

Dies aber ist anders, wenn man in Tunesien lebt. Tägliche Familienbesuche sind für viele Tunesier selbstverständlich (und dazwischen ruft man sich noch an...) und irgendwelche Mitglieder der Familie halten sich praktisch stets bei irgendwelchen anderen auf - manche nur Minuten oder Stunden, doch in einigen Fällen auch tage- und wochenlang.

Da hat der europäische Partner keinen leichten Stand, denn von ihm (genauer: von ihr) wird erwartet, daß sie so funktioniert, wie es auch eine tunesische Frau tut - und das sind Expertinnen für die Planung in Haushaltsangelegenheiten und die Versorgung von Besuchern.

Unterstützt werden sie, wenn es nötig ist, (leider auch dann, wenn es nicht nötig ist) von tatkräftiger Hilfe und guten Ratschlägen der weiblichen Mitglieder der Familie des Mannes, was, wie man sich vorstellen kann, wegen der unterschiedlichen Kenntnisse, Einstellungen und Ideen schnell zu Konflikten führen kann.

In der direkten Konfrontation zwischen Mutter und Ehefrau stellt sich der tunesische Mann zudem oft auf die Seite der Mutter, was für einen mehr oder weniger starken, ständigen, Einfluß der tunesischen Schwiegermutter auf das Tagesgeschehen sorgt.

Zudem findet in Tunesien eine ständige und ungemein starke und effektive Kontrolle aller Familienmitglieder statt.

Europäer sind oft erstaunt darüber, daß die meisten Familienmitglieder stets darüber informiert sind, wo sich die anderen befinden und was sie gerade tun (und wenn einmal nicht, dann dauert es nicht lange, es herauszufinden).
Es herrscht dadurch eine für Europäer sehr gewöhnungsbedürftige Atmosphäre ständiger Beobachtung (und Rechtfertigung), und dies gilt ganz besonders für Frauen - denn da kann dann schon unter Umständen das bloße Gespräch mit einem Mann in einem Straßencafe für einen Kommunikationssturm in der Familie sorgen.

   

Die lieben tunesischen Nachbarn

Es liegt nicht jedem, wenn die Familie und die Nachbarn quasi über den eigenen Tagesablauf detailliert Bescheid wissen, inklusiv der Liste dessen, was man eingekauft hat und die Zeitdauer, die man für das Putzen der Wohnung aufgewendet hat.

Was in Deutschland gerne dem alleinstehenden älteren Herrn und der älteren Dame nachgesagt wird, nämlich daß sie den Tag lang im Fenster liegen oder hinter der Gardine stehen und gucken, was draußen so vor sich geht, kann in Tunesien im Prinzip auf alle Menschen, ganz besonders aber die Nachbarn, ausgedehnt werden.

Die liegen im Fenster oder sitzen vor dem Haus oder im Innenhof, die Männer sitzen im Cafe und ihre Hauptbeschäftigung scheint es zu sein, zu beobachten, was um sie herum vorgeht.
Je kleiner die Stadt und je einfacher die Familienverhältnisse, umso mehr wird geschaut und getratscht.

Auch damit muß man klarkommen.

Wer aus Europa die feste Einstellung mitbringt, daß die Nachbarn sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern sollen, der wird in Tunesien nicht wirklich glücklich werden - oder muß sich Haus in einem "guten" Villenviertel kaufen (und nach Möglichkeit auch noch die Familie fernhalten...).


Der liebe tunesische Mann

In Europa gilt es als besonders erstrebenswert, daß sich der Mann an der Hausarbeit und Kindererziehung beteiligt.
Da Mann und Frau gleichermaßen arbeiten gehen und meist auch ähnlich gebildet sind, ist das auch sinnvoll - ganz abgesehen von emanzipatorischen Zielen.

Nicht so aber in Tunesien.

Da ist es üblich, daß der Mann arbeiten geht und das Geld heranschafft, während die Frau ihren Tag mit Hausarbeit und Kindererziehung verbringt.
Putzen, Waschen und Kochen alleine können jeden Tag mehrere Stunden in Anspruch nehmen, besonders dann, wenn "moderne" Küchen- und Haushaltsgeräte nicht verwendet werden.

Und ebenso, wie früher der deutsche "Kumpel" nach der Schicht erst einmal in der Eckkneipe einkehrte, landet auch fast jeder tunesische Mann früher oder später in einem Straßencafe.

Falls der Mann alleine auf die Kinder aufpassen soll, wird er eher ein weibliches Mitglied seiner Familie zu Hilfe rufen, als selbst Hand anzulegen.
Und das gilt auch für die meisten Tunesier, die im Ausland gelebt haben und sich dort anders verhalten hatten.
Denn in Tunesien, da gucken schließlich die Familie, die Freunde und die Nachbarn, ob sich jeder so verhält, wie es von ihm/ihr erwartet wird, ob er sich also gesellschaftskonform ("ehrenhaft") verhält - und etwaige seltsame Verhalten werden sofort eifrig diskutiert und weitererzählt.

Lebt ein Paar also in Tunesien, dann ist es unausweichlich, sich der Umgebung anzupassen (ebenso wie ja auch in Deutschland, nur daß da die soziale Kontrolle und damit der Druck wesentlich geringer ist) - und das bedeutet in den meisten Fällen eine große Anpassungshürde für die Frau.

Dies führt oft über kurz oder lang zu Stressgefühlen (wenn einem stets auf die Finger geguckt wird), zu Gedanken über einen "Goldenen Käfig" (wegen fehlender sozialer Kontakte nach außen, über die Familie hinaus) und zu einer generellen Unzufriedenheit mit der Lebenssituation.

Siehe auch:

Ratschläge für Beziehungen zu Tunesiern

Leben in Deutschland mit tunesischem Ehemann



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