Tunesien-Liebe

Mann in Tunesien

Rollenmodell - Vorteile und Bevorzugung




Tunesien ist, trotz aller Beteuerungen und Bemühungen der Regierung um Gleichstellung von Frau und Mann, nach wie vor eine patriarchalische, eine Männergesellschaft.

Die Vorrangstellung des Mannes leitet sich in erster Linie daraus ab, daß Männer gesetzlich zum Unterhalt der Ehefrau und Familie in Tunesien verpflichtet sind.
Dafür sind seine Ehefrau und die Kinder ihm gegenüber zum "Respekt" verpflichtet - ein Respekt, den er nicht erarbeiten oder verdienen muß, sondern den er bereits aufgrund seiner Position in der Familie genießt.


Da jeder Mann ein potentieller Familienvater ist, überträgt sich dieser Respekt auch auf männliche Kinder, die entsprechend innerhalb der Familie und auch im öffentlichen Leben, teilweise auch noch immer durch Gesetze und praktische Rechtspflege, bevorteilt und bevorzugt werden.

Gleichwohl sind die "Rechte" eines Mannes in Tunesien geringer als die in anderen, islamisch geprägten, Ländern.
So darf er seiner Frau z.B. nicht das Arbeiten verbieten, die Frau darf sich auch ohne seine Erlaubnis von ihm scheiden lassen, die Frau darf alleine reisen, erhält üblicherweise nach einer Scheidung das Sorgerecht (doch nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht) für ihre Kinder, etc.

Die Vorteile, die ein Mann genießt, liegen aber beispielsweise darin, daß er grundsätzlich und immer das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seine Kinder besitzt (seine Kinder dürfen, auch zusammen mit ihrer Mutter, nicht das Land verlassen, falls er dem nicht zustimmt).
Im Erbfalle erhält ein Mann, gesetzlich festgelegt, einen höheren Erbanteil als eine Frau (z.B. bei Bruder und Schwester).

Zudem genießen Männer praktische Freiheiten, die einer Frau versagt bleiben, wie beispielsweise das Rauchen in der Öffentlichkeit, als Muslim die Heirat mit einer Nicht-Muslimin (was zwar gemäß der tunesischen Verfassung auch Frauen erlaubt ist - doch es gibt in der Realität niemanden, der sie dann trauen oder die Ehe ins staatliche Register eintragen würde).

Dies sind jedoch nur Beispiele - es gibt insgesamt eine Fülle von praktischen, nirgendwo niedergeschriebenen, Vorteilen die dem Manne einen höheren Rang als einer Frau zuweisen, und obwohl zunehmend Frauen diese Vorrangstellung in Frage stellen, wird es noch lange dauern, bis eine Gleichstellung, fern von den Buchstaben des Gesetzes und den Bekundungen der Regierung, auf den Straßen und in den Häusern Tunesiens angelangt ist.

Männer leben, ebenso wie Frauen in Tunesien, größtenteils homosozial. Sie halten sich gerne zusammen mit anderen Männern in Straßencafes in Tunesien auf und sind insofern den größten Teil des Tages nicht zu Hause.
Dies hat zum einen den Hintergrund, daß der Mann als Oberhaupt der Familie Außenbeziehungen knüpfen und pflegen muß, doch auch, daß das Haus das "Reich der Frau" ist, in dem sie das Kommando führt.

Tunesische Frauen sind im nordafrikanischen und arabischen Raum diesbezüglich für ihre Selbstsicherheit bekannt und akzeptieren es weithin nicht, daß ihnen ihr Mann im Hause Vorschriften macht - da gehen viele Männer dann lieber in ein Cafe, in dem sie unter Männern sind, und reden können, wie es ihnen beliebt, unter anderem auch darüber, wie sehr sie Herr im Hause sind.

Die Aufzucht von Kindern ist Angelegenheit der Frau. Daß Männer alleine mit Kleinkindern unterwegs sind bzw. sich alleine mit ihnen beschäftigen, ist sehr selten. Es ist dagegen nicht ungewöhnlich, daß, wenn eine Frau einmal einen Tag lang nicht anwesend ist, eine Schwester des Mannes oder der Frau ins Haus kommt, um dort die Kinder zu betreuen, obwohl dies theoretisch auch der Mann tun könnte - dies aber in vielen Fällen als nicht zu seiner Familienrolle gehörend ablehnt (und er wahrscheinlich damit auch überfordert wäre).

In mehr westlich orientierten und höheren Schichten beginnt ein Umdenken, das auch hier zum Zuge kommt, doch in der Masse wird es noch eine ganze Weile dauern, bis mannes-untypische Handlungen in Tunesien gesellschaftlich weithin akzeptiert werden.

Männer heiraten üblicherweise Mitte 20, doch anders, als bei Frauen, gibt es auch Hochzeiten, bei denen ältere Männer junge Frauen, oft im Sinne einer Versorgungsehe, heiraten.
Dabei sind Altersunterschiede von 30 und mehr Jahren zwar nicht häufig, aber durchaus normal und gesellschaftlich akzeptiert - ganz im Gegensatz zum umgekehrten Fall, bei dem ein Mann eine ältere Frau heiratet und der, bis auf ganz spezielle und extrem seltene Situationen, sogar gesellschaftlich verpönt ist.

Die Ehe eines tunesischen Mannes mit einer (auch älteren) Europäerin wird dagegen fast immer geduldet und sogar begrüßt, weil diese Ehen als temporäre geschäftliche Vereinbarungen verstanden werden (grob gesagt: Sex und Zuwendung gegen Geld und Visum für Deutschland, "Bezness in Tunesien").
"Temporär" deshalb, weil in so gut wie allen Fällen nach einer kurzen Ehedauer von meist 2-5 Jahren eine Scheidung stattfinden wird und danach dann eine "reguläre" Ehe mit einer (durchweg jüngeren) Tunesierin eingegangen wird.


Die Zeugung von Kindern ist ein zentrales Element der "Mannhaftigkeit" - nur Männer, die eigene Kinder haben, werden von der Gesellschaft als "richtige" Männer akzeptiert.

Das „Fremdgehen“ von Männern ist zwar nicht erstrebenswert, doch weithin gesellschaftlich, und das sogar von den Ehefrauen, akzeptiert, solange dies nicht in allzu öffentlicher Weise geschieht.

Ähnlich wie in Deutschland, wird es speziell Männern mit höherem wirtschaftlichen Status zugebilligt, eine Konkubine zu haben, da er damit nach außen zu erkennen gibt, daß er es sich "leisten" kann - ja, es wird teilweise sogar erwartet.

Frauen in leitenden Stellungen außerhalb frauentypischer Bereiche (z.B. Schule, Pflege und Erziehung) sind selten zu finden, deshalb bezieht sich das nachfolgend Gesagte auch durchweg auf Männer.

In der Tat verpflichtet ein hoher Status sogar dazu, diesen öffentlich zu demonstrieren und zu nutzen, z.B. durch großzügiges Verhalten, das wiederum mit "Respekt" belohnt werden wird.
Anders, als man vermuten würde, handelt es sich dabei nicht um ein "Kaufen" von anderen Personen, sondern um eine soziale Pflicht, die darin besteht, daß derjenige, der mehr hat und mehr Einfluß hat, dies auch dafür nutzt, um anderen, die weniger haben, zu helfen.

Hierfür zeigen sich dann die Empfänger dieser Hilfe erkenntlich, wenn es ihnen möglich ist und sie darum gebeten werden - es ist also ein Geben und Nehmen innerhalb eines sozialen Systems.
Dies ist natürlich kein tunesien-typisches Verhalten, sondern in vielen Ländern zu beobachten - in Europa ist es traditionell z.B. in Teilen Italiens der Fall ("Padrone").

Wie man an dem Gesagten erkennt, sind die Interaktionen in der tunesischen Gesellschaft so gut wie immer auf das Wohl einer Gruppe bezogen: auf die engere Familie, auf die erweiterte Familie, auf die Dorfgemeinschaft, den näheren Bekanntenkreis, die Nachbarn, die Firma oder den Staat.
Handlungen mit vorwiegend individuellen Zielen, wie es z.B. in Europa als erstrebenswert gilt, sind in Tunesien extrem selten, dasselbe gilt für spontanes oder gar zweckfreies Handeln.

In Tunesien hat fast alles, was man tut, einen sozialen (Gruppen-) Bezug und erfolgt aufgrund von Überlegungen, Planungen und Abstimmungen mit anderen Personen, was nicht nur geschäftliche Verhandlungen, sondern auch Vereinbarungen und Handlungen innerhalb der Familie und des persönlichen Bereiches für Europäer oft schwer verständlich ("umständlich", "langwierig", "kompliziert", "Vetternwirtschaft", etc.) macht.



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